Der erste Eindruck: SUV trifft Smartphone. Mit dem geschlossenen schwarzen Kunststoffgrill erinnert die Front des EQA an die Vorderseite des iPhones. Damit sieht die Elektrovariante ein bisschen frischer aus als der Rest der Modellfamilie.
Das sagt der Hersteller: Für Mercedes-Entwicklungschef Markus Schäfer ist der neue EQA ein maßgeschneidertes Elektroauto, aber auch ein Kompromiss. Wie soll das zusammenpassen? Schäfer erklärt es so: Maßgeschneidert, weil es zahlreiche Varianten geben werde, mit unterschiedlich viel Leistung, Traktion oder Reichweite. Ein Kompromiss sei der Wagen, weil er keine eigene Elektroarchitektur nutzt wie die Akkuautos aus dem VW-Konzern oder von Kia und Hyundai. Zum Einsatz kommt stattdessen die modulare Frontantriebsarchitektur (MFA), die auch im konventionellen Zwilling GLA, in der A-Klasse und in anderen kompakten Mercedes-Modellen steckt.
Damit folgt Mercedes dem Weg von BMW beim iX3 oder des Stellantis-Konzerns bei Modellen wie dem Peugeot 208e oder dem Opel Mokka E. Der Vorteil daran laut Schäfer: Mit dem Konzept sei Mercedes in der Lage, ein leistungsfähiges Fahrzeug zu vergleichsweise niedrigen Kosten auf den Markt bringen – in relativ kurzer Zeit. Allerdings hat VW im gleichen Segment schon jetzt den ID.4 am Start, entwickelt auf einer elektrischen Plattform. Der Wagen kann mehr und kostet weniger. Offenbar haben sie die Vorzüge elektrischer Plattformen mittlerweile aber auch in Stuttgart erkannt: Der EQS, die »elektrische S-Klasse«, wird als erster Mercedes einen eigens für den Elektroantrieb entwickelten Baukasten nutzen. Er kommt allerdings erst im Herbst.
Das ist uns aufgefallen: Stille. In dieser Kategorie sticht der EQA auch gegenüber vielen anderen E-Autos heraus. Projektleiter Jochen Eck hat den üppigen, sonst für Diesel- oder Benzinaggregate nötigen Bauraum im Bug genutzt, um das E-Triebwerk aufwendig zu lagern. Es ruht in einer Art doppeltem Hilfsrahmen und ist so besser von der Karosserie entkoppelt als es bei den Konkurrenten der Fall ist. Das Ergebnis ist eine Ruhe, wie sie in dieser Klasse kein anderes Elektroauto bietet: Es dringen nicht nur keine Geräusche aus dem Motorraum in den Innenraum, sondern auch keine Vibrationen. So bleibt dem Fahrer jenes Straßenbahngefühl erspart, mit dem andere Akkuautos bisweilen nerven.
Und das ist nur ein Punkt, wo der EQA konsequenter ist als manches Fahrzeug, das mit spezieller E-Auto-Architektur gebaut ist. Auch bei der Energierückgewinnung geht Mercedes weiter als VW bei den ID-Modellen. Gleich fünf Rekuperationsstufen haben die Schwaben programmiert. In der stärksten greifen sie über den umgepolten E-Motor so viel Leistung ab, dass die konventionelle Bremse tatsächlich überflüssig wird. Lupft der Fahrer den Fuß, drückt es ihn sogar leicht in den Gurt.
Innen ist der EQA ein Zwilling des GLA – leider. Das Platzangebot ist damit vor allem im Fond lange nicht so üppig wie in einem ID-Modell von VW, aber deutlich besser als etwa im Opel Mokka-E. Der Kofferraum ist mit 340 bis 1320 Liter Fassungsvermögen so groß wie im GLA; allerdings lässt sich die Neigung der Rückbank nicht verstellen. Die rosé-goldenen Applikationen, die Mercedes-Designchef Gordon Wagener zum Erkennungszeichen der EQ-Modelle gemacht hat, gibt es auch im EQA — allerdings nur gegen Aufpreis.
Ein Blick aufs Infotainmentsystem mit seinen EQ-Besonderheiten lohnt. Die Navigation schlägt Routen abhängig von Wetter und Topografie vor, um die maximale Reichweite zu erzielen. Die Strecke führt an Ladestationen vorbei, erforderliche Ladepausen werden in die Fahrtzeit eingerechnet.
Das muss man wissen: Bestellungen für den EQA nimmt Mercedes seit einigen Tagen entgegen, der Basispreis liegt bei 47.541 Euro. Die Auslieferungen sollen in ein paar Wochen beginnen. Los geht es mit dem 250er-Modell, das 140 kW (190 PS) leistet und mit knapp 67 kWh Akkukapazität auf eine Normreichweite von 426 Kilometern im WLTP-Zyklus kommt. Mit bis zu 375 Nm beschleunigt er aus dem Stand in 8,9 Sekunden auf Tempo 100 und wird mit Rücksicht auf den Aktionsradius auf 160 km/h beschränkt. Geladen wird mit bis zu 100 kW, sodass es an der Gleichstromsäule etwa 30 Minuten dauert, bis ein leerer Akku wieder auf 80 Prozent ist. Bald soll eine Version mit Allradantrieb, zwei Motoren und mehr als 200 kW (272 PS) kommen, sowie eine Variante mit mehr als 500 Kilometern Reichweite. Die Technik aus dem EQA wird noch in diesem Jahr in den GLB transferiert, der dann zum EQB wird.
Das werden wir nicht vergessen: Wie es in der Konsole vor dem Beifahrer farbig schimmert. Diese Beleuchtung ist zwar nicht einzigartig – sie sieht aber gut aus und passt zum elektrischen Ambiente.
Thomas Geiger ist freier Autor und wurde bei seiner Recherche von Mercedes unterstützt. Die Berichterstattung erfolgt davon unabhängig.
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