
Bose QuietComfort 45: Große Erwartungen, starke Konkurrenz
Foto: BoseEin Hightech-Produkt, das nach drei Jahren immer noch zu den besten seiner Klasse gehört, ist eine Ausnahmeerscheinung – zumal in einem umkämpften und entsprechend dynamischen Markt. Der Bluetooth-Kopfhörer QuietComfort 35 II von Bose ist so ein Fall. Seit 2018 ist er – bis auf den Preis – unverändert auf dem Markt, und noch immer ist er empfehlenswert.
Doch die Konkurrenz hat mehr als aufgeholt, und dem QC 35 II fehlen heutige Standards wie Bluetooth 5.1, USB-C und eine Schnellladefunktion. Deshalb hat Bose nun einen direkten und äußerlich fast unveränderten Nachfolger vorgestellt, den QuietComfort 45, oder kurz QC 45. Entsprechend groß sind die Erwartungen und die Fußstapfen, in die er tritt.
350 Euro kostet das Modell derzeit. In dieser Liga der Over-Ear-Kopfhörer ohne Kabel, aber mit aktivem Noise Cancelling (ANC) ist der Anspruch eine möglichst optimale Annäherung an die eierlegende Wollmilchsau: Diese Kopfhörer sollen leicht und bequem sein, möglichst lange ohne Aufladen auskommen und möglichst effektiv Außengeräusche ausblenden, um Reisen im Flugzeug oder in der Bahn angenehmer zu machen. Gleichzeitig soll die Klangqualität so gut sein, dass Musikhören oder Filmegucken wirklich Spaß macht. Im besten Fall ermöglichen sie auch noch problemloses Telefonieren oder Videokonferieren.
Die Konkurrenz ist groß. Dazu würde ich in erster Linie Sonys WH-1000XM4 (ca. 280 Euro) zählen, Apples AirPod Max (derzeit um 450 Euro), den Sennheiser Momentum Wireless M3 (um 300 Euro) und Boses eigenes Modell 700 (derzeit schon ab 230 Euro). Für manche mögen aber auch Microsofts Surface Headphones II oder die Shure AONIC 50 in diese Liga gehören, oder, oder, oder. So viel vorneweg: Boses neues Modell kann hier gut mithalten.
Bose bietet außerordentlich gute Geräuschunterdrückung
Überragend ist zum Beispiel, wie leicht und bequem der QC 45 mit seinen 240 Gramm Gewicht ist. Beides galt schon für das Vorgängermodell, das nur einen Hauch weniger wog. Boses 700er-Modell ist minimal schwerer, lässt sich konstruktionsbedingt aber nicht ganz so kompakt zusammenfalten.
Der Momentum 3 hingegen wiegt schon 305 Gramm und die AirPods Max sogar 385 Gramm. Wirklich unbequem ist zwar keiner von ihnen, und ich mag den Stoffbezug der AirPods lieber als das Kunstleder der anderen, aber auf die Dauer macht sich das Mehrgewicht bei Apple und Sennheiser einfach bemerkbar. Außerdem sind die QC 45 vergleichsweise flach gebaut, insbesondere der Momentum 3 sieht durch seine dicken Polster und die Bügelkonstruktion deutlich klobiger aus. Das fällt besonders auf Köpfen mit wenigen Haaren auf. Auf meinem zum Beispiel.
Ebenfalls außerordentlich gut ist die aktive Geräuschunterdrückung des QC 45. Ich benutze seit Jahren ANC-Kopfhörer, wenn ich unterwegs bin, aber es ist immer noch schockierend, wie laut die Stadt ist, wenn ich das Haus mit dem eingeschalteten QC 45 verlasse und ihn dann zwei Kreuzungen weiter das erste Mal abnehme.
Beim Test im Freien, in der Berliner U-Bahn sowie zu Hause mit diesem zunächst etwas seltsamen, aber doch geeigneten Testgeräusch-Video (Liebe Nachbarschaft, ich bitte um Entschuldigung) war er vor allem dem Momentum 3 um Längen voraus. Dass Sennheisers Modell in dieser Disziplin nicht gerade brilliert, ist allerdings auch bekannt. Spannender ist die Frage, ob Bose auch Apple schlägt, und die Antwort laut: Ich glaube, ja. Der Unterschied ist gering, aber mir scheint, als ob der QC 45 im Bereich der mittleren Frequenzen noch etwas mehr wegnimmt.

QC 45: Bose verspricht 24 Stunden Ruhe mit einer Akkuladung
Foto: Patrick Beuth / DER SPIEGELAuch im hausinternen Duell mit dem 700 sehen andere Tester den QC 45 minimal vorne. Der größte Unterschied zwischen den beiden in dieser Disziplin liegt aber in der Bedienung. Der 700er hat elf Stufen zur Feineinstellung der Geräuschunterdrückung, der QC 45 nur zwei: den Quiet- und den Aware-Modus, wobei letzterer Umgebungsgeräusche über die Mikrofone aufnimmt und dann wiedergibt, was aber recht künstlich klingt. Ganz ausschalten lässt sich das ANC also nicht, ohne gleich den ganzen Kopfhörer auszuschalten. Zudem lässt sich der QC 45 wie schon der Vorgänger nur über Tasten (und die App) bedienen, er hat im Gegensatz zum 700 kein berührungsempfindliches Sensorfeld.
Bei der Klangprobe sieht die Rangliste anders aus. Natürlich ist so etwas immer eine Sache des Einsatzszenarios, des Geschmacks und auch des Genres. Mich persönlich überzeugt ein Kopfhörer, wenn ich meine zu hören, wie das Fell der Bassdrum zu Beginn des Deftones-Songs »Digital Bath« eingedrückt wird. Wenn der Bass in Pearl Jams »Immortality« so tief in den Bauch geh, dass er sich wie eine Wärmflasche anfühlt. Wenn das Album »Black Earth« der Zeitlupenjazzcombo Bohren & der Club of Gore so dunkel klingt, wie es aussieht. Der Momentum 3 kann das alles, selbst in seiner neutralen Voreinstellung. Der QC 45 kann es weniger gut. Die tiefsten Tiefen sind nicht sein Spezialgebiet. Weil es in der Bose-Music-App keinen manuell einstellbaren Equalizer gibt, lässt sich daran auch nichts ändern. Vielleicht kommt das irgendwann in Zukunft nach einem Firmware-Update, aber ich halte dafür noch nicht die Luft an.
Insgesamt ist das Klangbild für mich trotzdem angenehm. Im Bereich der Mitten und Höhen habe ich nichts auszusetzen, da klingt alles luftig und klar. Und fairerweise sei gesagt, dass auch die AirPods Max nicht so druckvoll, satt und warm klingen wie der Sennheiser-Kopfhörer.
👍 Sehr leicht 👍 Exzellentes Noise Cancelling 👍 Ausgewogener Klang |
👎 Einige praktische Features fehlen 👎 Fürs Erste teurer als Konkurrenten |
Im anderen Soundcheck – wie funktioniert das Telefonieren über die Kopfhörer – zeigt der Bose-Kopfhörer gewisse Eigenheiten. Im Videocall aus einem ruhigen Zimmer war alles in Ordnung, abgesehen vielleicht davon, dass mein »s« etwas scharf klang, wie mein Gesprächspartner fand. Beim Telefonat von der Straße aus war ich ebenfalls gut zu verstehen. Allerdings scheint der QC 45 recht windempfindlich zu sein, und vorbeifahrende Autos klangen eher »wie ein Podrennen in ›Star-Wars‹«, wie mein Kollege zu Protokoll gab.
Was manche Kopfhörer-Käuferinnen und -Käufer stören dürfte, sind fehlende Funktionen, die anderswo selbstverständlich sind. Dazu zählen, wie erwähnt, ein anpassbarer Sound und verschiedene ANC-Stufen. Die QC 45 pausieren aber zum Beispiel auch die Audiowiedergabe nicht automatisch, wenn man sie sich von den Ohren zieht. Und eine Randbemerkung wert ist die fehlende Unterstützung für die Audiokodierungsformate aptX und LDAC.
Schließlich noch die Akkulaufzeit, hier macht Bose wieder Boden gut und verspricht 24 Stunden für den QC 45, das sind vier mehr als beim 700er und den AirPods Max. Sennheiser liegt mit 17 Stunden deutlich dahinter. Sony allerdings hängt sie alle ab und verspricht 30 Stunden für den XM4.
Voll aufgeladen sind die QC 45 laut Bose nach rund zweieinhalb Stunden. 15 Minuten an der Steckdose sollen genug Saft für drei Stunden liefern.
Fazit
Bose hat einen würdigen Nachfolger des QC 35 II auf den Markt gebracht. Aber der QC 45 übertrumpft nicht plötzlich in allen Belangen die gesamte Konkurrenz – auch nicht die hauseigene. Empfehlenswert ist er für alle, die vor allem auf Reisen einen bequemen kabellosen Kopfhörer dabeihaben wollen, der möglichst lange möglichst viele Umgebungsgeräusche ausblendet. Verzichten müssen sie dafür auf maximal druckvollen Sound und einige praktische Funktionen.
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