Seine schrulligen Auftritte haben Kultcharakter, für seine Jazz-Improvisationen wird er verehrt, sein Humor ist – nun ja – Geschmackssache. Aber am Freitagabend machte Helge Schneider Ernst: »Ich muss sagen, das geht mir ziemlich auf den Sack. Ich habe keine Lust mehr«, sagte der Musiker, Komiker und Kabarettist während seines Auftritts beim Strandkorb Open Air in Augsburg, einem Festivalformat, bei dem besagte Strandkörbe einen coronakonformen Abstand zwischen den Gästen garantieren sollen.
Für Schneider offenbar kein Konzept, das ihn kreativ beflügelt. Knapp 30 Minuten, nachdem er die Bühne betreten hatte, wollte Schneider diese schon wieder verlassen. »Ich breche die Strandkorb-Konzerte an dieser Stelle ab. Es tut mir sehr leid. Vielleicht könnt ihr euer Geld wiederkriegen«, hört man Schneider in einem Video sagen.
Ein Raunen geht durchs Publikum, 900 Zuschauer, auf 500 Strandkörbe verteilt. Meint der das Ernst? Und ob!
Schneider legte nach: »Das macht wirklich keinen Spaß. Man kriegt keinerlei Kontakt zum Publikum, hier laufen auch andauernd Leute rum. Bitte habt Verständnis dafür – ich als Künstler kann unter diesen Umständen überhaupt nichts mehr machen.« Und dann sagte er noch einen Satz, aus dem eine Menge Verzweiflung herauszuhören ist – und der ihm später einen Querdenker-Verdacht in den sozialen Medien einbringen sollte: »Das System ist einfach fadenscheinig und dumm.«
Das System? Oder das Konzept? Einige Minuten, nachdem Schneider die Bühne verlassen hatte, trat ein Sprecher des Managements ans Mikrofon: »Helge Schneider beklagt, dass er keinen Kontakt zum Publikum hat. Wir halten Sie auf unseren Internetseiten auf dem Laufenden, wie und wo Sie Ihr Ticket zurückgeben können. Wir haben die Situation so nicht erwartet und es tut uns leid.«
Die Strandkorb Open Airs wurden im Corona-Sommer 2020 entwickelt. Unter freiem Himmel und Einhaltung der Corona-Auflagen sollten Live-Veranstaltungen ermöglicht werden, die Gäste werden an ihren Plätzen bedient und mit Getränken versorgt. Das Konzept wurde mit dem Deutschen Tourismuspreis 2020 ausgezeichnet. Auf Nachfrage von t-online erklärte Schneiders Manager am Folgetag: »Helge Schneider hat gestern das Konzert abgebrochen, weil die Organisation der Gastronomie vor Ort so war, dass er ständig durch das Gastropersonal, welches an die Plätze serviert hat, abgelenkt wurde.«
Hinter dem Frust des Musikers stecken aber wohl auch die Entbehrungen der Coronakrise speziell für Künstlerinnen und Künstler: Auftrittsverbote, gestrichene Gagen, kreativer Lockdown. »Als Künstler ist man da einfach das schwächste Glied in der Nahrungskette«, sagte Schneider im Oktober 2020 dem SPIEGEL. Er trete zwar noch live auf, »nur verdiene ich jetzt 50 Euro statt wie früher 10.000 Euro«.
Zuvor hatte er bereits in einer Videobotschaft auf Facebook erklärt, er trete nicht vor Autos auf oder vor Menschen, »die anderthalb Meter auseinander sitzen müssen und Mund-Nasen-Schutz tragen«. Auch mit Streaming-Auftritten könne er sich nicht anfreunden, da ihm dort seine Fans fehlten, ein »ganz, ganz wichtiger Teil für meine Arbeit«. Bei seinem Auftritt in Augsburg ließ er denn auch seinem Unmut freien Lauf: »So eine hohe Bühne habe ich mir schon immer gewünscht. Da sehe ich vor bis zur Autobahn. Toll, jetzt kommt schon wieder ein Auto.«
Die weiteren Auftritte beim Strandkorb Open Air, das als Format durch mehrere Städte in Deutschland tourt, wolle Schneider aber absolvieren, wie sein Management versicherte. Die Tour werde wie geplant fortgesetzt.
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