Nächste Woche erscheint ein neues Album von Prince.
Der Satz klingt wie ein Widerspruch. Ein neues Album, nächste Woche? Von dem Musiker, der seit fünf Jahren tot ist?
Der Satz passt zu Prince. Er fügt sich ein in die vielen vermeintlichen Widersprüche in Werk, Leben und Nachleben des Popstars, der mit Zeilen wie »I’m not a woman, I’m not a man, I am something that you’ll never understand« von seinem Erfolgsalbum »Purple Rain« berühmt wurde. Der den pompösen Auftritt nicht scheute, die Öffentlichkeit aber auch mied, sich in seinem Studio verschanzte, sich dort einnistete, darin lebte und Journalisten verbot, Interviews mit ihm aufzuzeichnen. Der kein Testament hinterließ, als er im Alter von 57 Jahren unerwartet und offenkundig unbeabsichtigt an einer Opioid-Überdosis starb. Dafür aber wohl Tausende Songs.
Den Code zum Tresor soll nur Prince gekannt haben
Prince gab dem Mysteriösen viel Platz. Eine Stimme, viele Bühnen. Und einen eigenen Raum.
Im vault, Prince’ Tresor im Keller seines Studios, hinter einer Tür aus Stahl sollten die Tausenden unveröffentlichten Songs lagern. Um den Ort rankten sich jahrzehntelang Gerüchte. Von 8000 Songs war die Rede. Von einem gemeinsamen Album mit Miles Davis. Von genug Musik, um jedes Jahr, bis ins 22. Jahrhundert hinein, ein neues Prince-Album rausbringen zu können. Davon, dass einige seiner besten Sachen im Tresor lägen. Davon, dass Prince eigentlich alles aus dem Tresor verbrennen wollte. Den Code soll nur er gekannt haben.
Nach Prince’ Tod im April 2016 wurde der Tresor aufgebrochen. Seiner unveröffentlichten, vielleicht auch nicht für die Öffentlichkeit gedachten Inhalte nahm sich ein Team aus Archivaren an. Auf Basis der Vorschläge des Teams erschienen bislang Deluxe-Versionen großer Prince-Alben, eine Zusammenstellung von Demoaufnahmen (»Originals«) und ein Klavierkonzert, das Prince mal für den Kassettenrekorder spielte (»Piano & A Microphone 1983«).
Cover von »Welcome 2 America«
Nächste Woche erscheint also ein neues Album von Prince, ein offenbar fertiggestelltes mit bisher noch nie gehörten Songs. Es heißt »Welcome 2 America«, wurde 2010 aufgenommen und sollte 2011 rauskommen, was nicht geschah. »Aus unbekannten Gründen«, steht auf einer Art Wikipedia zu Prince’ Tresor. Oder aus gutem Grund.
Wäre es im Tresor besser aufgehoben als bei Spotify? Ja und nein.
Zu Beginn predigt Prince. Und das klingt nicht vorsintflutlich, weil es vor über zehn Jahren aufgenommen wurde, sondern, wie es in einem späteren Song heißt, nach einem »futuristical sound«. In Zeilen wie »truth is a new minority«, verknüpft mit »2 much in4mation«, scheinen sich die Debatten über Fake News anzudeuten, in Zeilen wie »got an application, 2 fix Ur situation« wirkt es, als fassten der Prince von 2010 und seine Backgroundsängerinnen die smartphonezentrierte Lage von 2021 – »iPhone«, »iPad«, »Google« – ziemlich treffend zusammen.
Auch »Black Lives Matter« scheint dem Album mit Songs wie »Running Game (Son Of A Slave Master)« kein fremder Begriff zu sein. »Land of the free«, heißt es in »Welcome 2 America«, »home of the slave«.
Roboterhaft, weil blutleer
Zwar klingen also manche Texte des Albums bemerkenswert vorausblickend und zeigen Prince von seiner bislang schlechter ausgeleuchteten politischen Seite. Nur verrät »Welcome 2 America« musikalisch kaum Neues über ihn; anders als die vorigen Veröffentlichungen aus dem Tresor, »Piano & A Microphone 1983« (Prince als intimer, minimalistischer Performer) und »Originals« (Prince als Hitschreibmaschine für die Anderen).
Die vermeintlichen Widersprüche begrüßen einen auch auf »Welcome 2 America«. Selten mal auf die schöne Art, zum Beispiel, wenn Prince' Gesang in »Born 2 Die« irgendwie ganz nah klingt und doch ungreifbar, glasklar und leicht angezerrt zugleich. Öfter auf die unschöne Art, etwa, wenn sich feine, kleine Tupfer setzende Gitarren seltsamerweise mit grober Hardrock-Schrammelei abwechseln.
Meist klingt »Welcome 2 America« nach Funk, der futuristisch sein will, sein roboterhaftes Auftreten aber vor allem aus einer gewissen Blutleere bezieht. Auch wenn »Welcome 2 America« stellenweise funkelt, hat es den Anschein, als handle es sich hierbei eher um kein Juwel aus dem Tresor.
Troy Carter, früher Manager von Lady Gaga und Führungskraft bei Spotify, heute einer derjenigen, die darüber beraten, was aus dem Tresor rauskommt und was drin bleibt, sagte vor Kurzem, Geld sei nicht der einzige Grund, posthum neue Alben von Prince zu veröffentlichen. Es gehe vielmehr darum, Prince jungen Leuten nahezubringen.
In den Klubs, wenn sie wieder vollumfänglich öffnen, wird allerdings »Welcome 2 America« ein »Purple Rain« kaum von der Tanzfläche vertreiben können.
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