Die weiße Weste des Spiels: 450 Minuten hat die englische Nationalmannschaft bei dieser EM bereits absolviert. Ein Gegentor hat Torhüter Jordan Pickford immer noch nicht kassiert, auch im Viertelfinale geriet diese Serie nie ernsthaft in Gefahr. Fünf Spiele ohne Gegentor nacheinander bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft gab es überhaupt erst einmal: Bei der WM 1990, als die italienische Defensive um Walter Zenga und Franco Baresi ebenfalls lange makellos blieb. Damals wie heute Schauplatz des gegentorlosen Viertelfinals: Das Olympiastadion in Rom.
Das Ergebnis: 4:0 (1:0) setzte sich England gegen eine heillos überforderte Ukraine durch. Hier finden Sie den Spielbericht zur Partie.
Die erste Hälfte: Die Partie war keine vier Minuten alt, da entwich ihr die Spannung wie die Luft aus einem platten Reifen. Der Luftablasser hörte auf den Namen Raheem Sterling, der in Wembley bislang drei der vier englischen Turniertreffer erzielt hatte und beim einzigen Auswärtsspiel der Engländer in Rom den Vorbereiter in sich entdeckte. Sein Schnittstellenpass setzte Harry Kane herrlich in Szene, der ließ sich die Chance frei vor Georgiy Bushchan nicht nehmen. Danach durften die Engländer das tun, was sie zuletzt so gut gemacht hatten: Ein Ergebnis verwalten.
Der neue Sancho: Englands Nationaltrainer Gareth Southgate hatte manche Kritik einstecken müssen: Jadon Sancho, gemessen an seinen Leistungen für Borussia Dortmund ein Startelfkandidat für die Three Lions, fand sich bislang in jedem Spiel auf Bank oder Tribüne wieder. Unter der Woche teilte der BVB nun mit, dass ein Wechsel Sanchos zu Manchester United unmittelbar bevorstehe – und prompt wurde Sancho, der Reservist, zu Sancho, dem Startelfspieler. Zugegeben: Das hatte auch mit dem Ausfall Bukayo Sakas zu tun, der zuletzt rechts vorne gesetzt war und angeschlagen im Kader fehlte.
Jadon Sancho durfte von Beginn an spielen
Foto: ALBERTO LINGRIA / AFPDer umgekehrte, ukrainische Sancho: Quasi spiegelverkehrt lag der Fall beim ukrainischen Starspieler Ruslan Malinovskyi. Der Spielmacher war als Stammspieler ins Turnier gestartet, wurde dann im letzten Gruppenspiel gegen Österreich zur Halbzeit ausgewechselt – und verlor seinen Platz im Team. Im Achtelfinale kam Malinovskyi noch zu einem Kurzeinsatz von der Bank, gegen England fehlte er ganz im Aufgebot von Trainer Andriy Shevchenko.
Angst vor dem Doktor: Trotz der klaren Favoritenrolle vor dem Viertelfinale gegen die Ukraine gab es im Vorfeld Stimmen auf der Insel, die dem Fußball-Frieden nicht trauten. »Oh no! The ref's a German«, echauffierte sich etwa die »Sun« über die Ansetzung von Felix Brych. »Oh nein, der Schiedsrichter ist Deutscher« also – doch Brych, Doktor des Rechts, teilte bei seiner souveränen Leitung eines dankbaren Spiels nur die Unparteilichkeit mit der Justitia, nicht aber ihre Blindheit.
Die zweite Hälfte: Nach der Pause mutete das Spiel endgültig wie ein Routinekick während einer Länderspielpause im Herbst an, die der Favorit damit zubrachte, dem Außenseiter in seiner EM- oder WM-Qualigruppe lässig Tor um Tor einzuschenken. Die beiden Harrys Maguire (46.) und Kane (50.) hielten ihre jeweiligen Köpfe in die Flanken von Linksverteidiger Luke Shaw, der per Freistoß wie aus dem Spiel heraus glänzend servierte. Damit war die ukrainische Gegenwehr 40 Minuten vor Spielende vollends gebrochen, ein drittes Kopfballtor sollte aber noch folgen.
Spätes Erstlingswerk: Als Jordan Henderson im Herbst 2010 sein Länderspieldebüt für England gab, hießen seine Mitspieler Rio Ferdinand und Steven Gerrard. Seitdem sammelte er 61 torlose Einsätze für die Three Lions. Doch der Sparringspartner Ukraine machte einiges möglich: Sechs Minuten nach seiner Einwechslung köpfte der Kapitän des FC Liverpool ungestört einen Eckball in des Gegners Tor. Mehr Partien hatte noch kein englischer Nationalspieler auf seinen ersten Treffer warten müssen.
Is it coming home?: »One night in Rome, we were strong, we had grown« – die inoffizielle Fußball-Hymne der Three Lions besingt eine starke Nacht in Rom, in der sich zeigte, wie sehr die Mannschaft gewachsen war, bereits seit 1998. Damals bezog sich der Text auf ein WM-Qualifikationsspiel, die römische Nacht von 2021 gegen die Ukraine war auf dem Papier noch spektakulärer. Reicht es für den ersten internationalen Titel seit der WM 1966? Drei Konkurrenten sind noch übrig: Die Spanier, spielerisch bärenstark, doch vor dem Tor verschwenderisch. Die Italiener, ähnlich gut organisiert wie England, doch mit ungleich mehr Spielwitz. Und Dänemark – vielseitig, bissig, am Mittwoch (21 Uhr, Liveticker: SPIEGEL.de) der englische Halbfinalgegner. Fest steht: Jedes Team, das sich England noch in den Weg stellt, wird ein härterer Brocken als die Ukraine.
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