Thomas Müller kam auf eine Angst zu sprechen, die weit über den Sport hinausgeht. „Etwas zu verlieren ist für den Menschen immer ganz schlimm“, sagte der Offensivstar des FC Bayern. Es ging um das Rückspiel des Viertelfinals in der Champions League bei Paris St. Germain an diesem Dienstag (21 Uhr, Sky und im WELT-Liveticker) und die gute Ausgangslage der Franzosen nach ihrem 3:2 im ersten Aufeinandertreffen. Man wolle durch eine frühe Führung dafür sorgen, dass bei Paris „die Alarmglocken losgehen“, sagte der Weltmeister.
Der FC Bayern hat allerdings mindestens genauso viel zu verlieren wie PSG. Für den deutschen Rekordmeister ist es wohl die wichtigste Woche der Saison. Das Abschlusstraining absolvierte die Mannschaft Montag nicht im Prinzenpark, sondern auf dem Vereinsgelände in München. Erst am Nachmittag flog sie nach Paris. Müller trug wie seine Kollegen auf der Reise Anzug und Krawatte. Auf der großen Bühne Königsklasse soll es ein Festtag werden. Doch die Bedingungen sind für die Bayern schwierig.
Der Titelverteidiger muss gewinnen und mindestens zwei Tore schießen, um doch noch in die Runde der letzten vier einzuziehen. Ein 2:0 oder 3:1 würde den Einzug ins Halbfinale gegen den Gewinner des Viertelfinals Manchester City gegen Borussia Dortmund bedeuten.
Trainer Hans-Dieter Flick sprach zuletzt von einem „kleinen Wunder“, das gelingen müsse. Erst fünfmal ist eine Mannschaft in der Champions League nach einer Heimniederlage in der K.o.-Phase noch weitergekommen. „Das wird ein ganz, ganz enges Ding“, sagte Müller: „Für uns wäre das Weiterkommen enorm wichtig. Wir arbeiten auf das Ziel Titelverteidigung seit September hin.“ Sollte man ausscheiden, „wäre ich sehr enttäuscht“. Nach dem frühen Aus im DFB-Pokal wäre es für den Meister der zweite verpasste Titel der Saison.
Vieles deutet auf eine Trennung von Flick hin
Nicht nur für die sportliche Bilanz der Spielzeit ist die Partie so wichtig. Ihr Ausgang könnte Einfluss auf die Zukunft Flicks haben. Schon einmal entschied ein Spiel in Paris über einen Bayern-Coach: 2017 entließ der Klub Carlo Ancelotti nach einem 0:3 bei PSG. Das wird Flick nicht passieren.
Doch ein Ausscheiden würde vieles ändern. Der Verein könnte eine Trennung von Flick im Sommer etwas besser rechtfertigen. Bereits jetzt deutet vieles darauf hin, dass Flick nach Saisonende nicht mehr Trainer der Bayern sein wird. Er gilt als Topkandidat für die Nachfolge von Bundestrainer Joachim Löw, der nach der EM aufhört.
Vor dem Spiel in Paris hat sich Flick zurückgezogen, zu seinem Trainerteam und seiner Mannschaft. Zwischen ihm und der Klubführung um Hasan Salihamidzic gibt es Spannungen, der Zwist mit dem Sportvorstand ist wohl nicht mehr zu kitten, glauben viele. Flick wirkte in den vergangenen Tagen mehrfach genervt. „Der ganzen Geschichte rund um den Verein würde es guttun“, sagte Müller über die Bedeutung des Weiterkommens für die Atmosphäre an der Säbener Straße.
Für die Bayern geht es auch um viel Geld, die Champions-League-Millionen gewinnen in der Pandemie an Bedeutung. Der europäische Verband Uefa zahlt an jeden Halbfinalisten zwölf Millionen Euro. Der Finalgewinner erhält weitere 19 Millionen Euro, der unterlegene Endspielteilnehmer 15 Millionen. Vereinspräsident Herbert Hainer bezifferte die Umsatzeinbußen des Tabellenführers in der Bundesliga in der Pandemie bei „Sky90“ auf 150 Millionen Euro.
„Weil wir die bessere Mannschaft sind, bin ich davon überzeugt, dass wir weiterkommen“, sagte Mittelfeldchef Joshua Kimmich. Im Hinspiel hatten die Bayern in vielen Belangen überzeugt, allerdings zahlreiche Torchancen ausgelassen. „Es wird sehr auf die Mentalität ankommen, aber auch auf die Effizienz“, so Kimmich. Auch Müller betonte, man müsse vor dem Tor kaltschnäutzig sein und in „Detailsituationen die besseren Entscheidungen treffen“.
Schlüsselspieler fallen gegen PSG aus
Bitter für die Münchner, dass ausgerechnet in dieser Mission Schlüsselspieler fehlen. Torjäger Robert Lewandowski (Knieverletzung), Serge Gnabry (Corona) und Niklas Süle (Muskelverletzung) können in Paris nicht spielen. Lewandowski absolvierte Montagvormittag erstmals wieder ein Lauftraining. Die zuletzt ebenfalls verletzten Lucas Hernández und Leon Goretzka hingegen konnten Montag mit der Mannschaft trainieren, Flick geht von ihrem Einsatz aus. Auch der angeschlagene Kingsley Coman ist fit.
Gegen die Pariser Offensiv-Superstars Kylian Mbappé, den Flick langfristig als Weltfußballer sieht, und Neymar wird Jérôme Boateng besonders gefordert sein. Ausgerechnet also der Spieler, dessen im Sommer endenden Vertrag die Münchner nicht verlängern werden. Salihamidzic informierte Boateng sehr kurz vor dem Hinspiel über diese Entscheidung des Vereins.
Ein in Sachen Timing und Stil kaum zu fassender Vorgang. Seine Kollegen stehen hinter Boateng, der mit den Bayern zweimal das Triple gewann. „Er ist körperlich in einer sehr guten Verfassung und hat viel Freude im Training und mit der Mannschaft“, sagte Müller. Und Kimmich forderte: „Jeder Spieler muss in diesem Spiel zu einem Leader werden.“
Boateng wurde von der Klubführung bereits öfter brüskiert. Vor zwei Jahren bezeichnete Ehrenpräsident Uli Hoeneß ihn öffentlich als „Fremdkörper“ und riet ihn zu seinem Vereinswechsel. Ende vergangenen Jahres hieß es in München, die Entscheidung gegen einen neuen Vertrag für den Verteidiger sei gefallen. Trainer Flick ärgerte das. Er betonte, er halte es für zu früh, hier eine Entscheidung zu treffen. Die Mannschaft brauchte Boateng immer wieder, er überzeugte mit Leistungen und kämpfte sich nach Verletzungen und Schwächephasen zurück, was Müller am Montag lobte.
Die Pariser, die am Wochenende in der Liga 4:1 bei Racing Straßburg gewannen, müssen möglicherweise auf ihren Kapitän Marquinhos verzichten. Über seinen Einsatz wird Trainer Mauricio Pochettino kurzfristig entscheiden, so will er es auch bei den nach Corona-Infektionen zurückgekehrten Marco Verratti und Alessandro Florenzi machen.
Flick kennt viele der Pariser Spieler gut. Vor einigen Jahren hospitierte er bei dem damaligen PSG-Trainer Thomas Tuchel. „Es ist eine toughe Aufgabe“, betonte Flick mit Blick auf Dienstagabend. Er und die Mannschaft würden sich sehr auf den Anpfiff freuen. „Für solche Spiele spielt man Fußball. Dafür ist man bei Bayern München.“
Im Falle des Ausscheidens dürfte es Flicks letztes als Bayern-Trainer in der Champions League gewesen sein.
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