Anstatt in Corona-Zeiten zu reisen, lässt sich die Zeit für die Digitalisierung seiner Reise-Dias nutzen. Das kann eine sehr laute Angelegenheit werden.
Für welche Zwecke lässt sich die Kombination aus schlechtem Wetter und faktischen Reiseverboten eigentlich sinnvoll nutzen? Nach mehr als einem Jahr Corona-Einschränkungen kam mir die Idee, die im Keller liegende Dia-Sammlung im Osterurlaub zu digitalisieren. Denn irgendwie muss der Zwangsaufenthalt in den eigenen vier Wänden ja sinnvoll genutzt werden. Doch die Erfahrung zeigt: Viel besser lässt sich das normale Homeoffice für eine solche Aktion nutzen.
Für das Einscannen von Diasammlungen gibt es im Grunde nur zwei Optionen: Entweder man leiht sich einen Scanner für mehrere Tage oder Wochen oder man schickt die Dias zu einem professionellen Dienst. Beides hat Vor- und Nachteile.
Nur Magazinscanner von Reflecta
Für das Einscannen zu Hause gibt es verschiedene Anbieter, die Diascanner verleihen. Dabei gibt es praktisch keine Auswahl an Geräten, wenn man Dias direkt aus den Magazinen einscannen will. Einzelscans oder Flachbettscanner kamen für unsere Zwecke nicht in Frage. Für Serienscans direkt aus Magazinen stehen derzeit offenbar nur die Modelle Reflecta Digitdia 6000 oder 7000 zur Verfügung. Der große Unterschied zwischen beiden Geräten ist die höhere Auflösung, die beim Digitdia 7000 bei 10.000 Pixeln pro Zoll (ppi) liegen soll. Der Digitdia 6000 erreichte nur die Hälfte mit 5.000 ppi.
Einem Test der Webseite Filmscanner.de zufolge liegt die tatsächliche optische Auflösung beim Digitdia 7000 nur bei 4.880 ppi. "Aus einem Kleinbild-Dia holt der Scanner effektiv also knapp 31,8 Millionen Pixel heraus", heißt es. Das ergebe bei einer Farbtiefe von 48 Bit TIFF-Dateien mit einer Größe von 91 MByte. Solche hohe Auflösungen sind jedoch nur sinnvoll, wenn es sich um qualitativ hochwertige Aufnahmen handelt und daraus hochauflösende Drucke erstellt werden sollen.
Rund drei Minuten pro Scan
Von den eigenen Qualitätsansprüchen und dem zur Verfügung stehenden Rechner hängt es ab, wie lange ein Scanvorgang dauert. Wir haben uns dafür entschieden, die Bilder mit einer Auflösung von 2.500 ppi einzuscannen und gleich nach dem Einlesen vom Scannerprogramm Cyberview X5-MS bearbeiten zu lassen. Dieses verfügt über die Funktion "Magic Touch". Da die Technik laut Beschreibung hardware-basiert ist, "arbeitet sie nahtlos mit dem Scanvorgang zusammen und sorgt für bestmögliche Ergebnisse beim Einlesen von Bildern in den Computer. Staub, Kratzer und andere Makel werden intelligent erkannt und beseitigt".
Eine weitere Funktion zur Qualitätsverbesserung ist die Mehrfachbelichtung (Multipass Xposure). Hierbei wird das Bild drei Mal gescannt. Die beiden zusätzlichen Scans sollen Schattendetails besser hervorheben und dunklere Stellen besser belichten. "Anschließend berechnet die Software intuitiv den letzten Scan, der nun die Daten von allen drei Scans enthält", heißt es in der Anleitung.
Schneller Rechner verkürzt den Scanvorgang
Alternativ lässt sich ein "Mehrfaches Abtasten" (Multiple Sampling) aktivieren. "Mit den mehrfachen Abtastvorgängen gehört Bildrauschen der Vergangenheit an", heißt es in der Anleitung. Große Unterschiede in der Bildqualität konnten wir dadurch jedoch nicht feststellen.
Was uns aufgefallen ist: Die Mehrfachbelichtung verdoppelt die Dauer des Scanvorgangs je nach Auflösung deutlich. Vor allem der Sprung zwischen 1.000 und 2.500 ppi ist groß. Zwischen 2.500 und 10.000 ppi waren die Unterschiede jedoch sehr gering. Da ein Scanvorgang mit Mehrfachbelichtung und 2.500 ppi fast sechs Minuten dauert, haben wir auf die Intuition der Software verzichtet. Für den Scanvorgang haben wir ein Thinkpad E595 mit einem AMD Ryzen 7 3700U-Prozessor und 16 GByte Ram verwendet.
300 Dias pro Tag gescannt
Bei den gewählten Einstellungen mit Auto-Belichtung, Auto-Farbabgleich und Auto-Kontrast hat ein Scanvorgang zwischen zwei und drei Minuten gedauert. Damit lassen sich 50 Dias in einem Universalmagazin in zweieinhalb Stunden einscannen. Pro Tag sind damit 300 Dias zu schaffen, wenn man kurz vor dem Zubettgehen noch ein Magazin einschiebt. Rein rechnerisch ließen sich damit innerhalb der Leihfrist von einer Woche 2.100 Dias einscannen. Bei einer Mietgebühr von 150 Euro würde jeder Scan etwas mehr als 7 Cent kosten.
Doch diese Rechnung sollte man nicht ohne seine Familienmitglieder machen.
Denn der Digitdia 7000 macht einen Höllenlärm. Die Geräusche changieren zwischen Maschinengewehr, Presslufthammer, Kreissäge und Baustellenlärm. Man wundert sich, dass die Dias nach dem Scannen wieder heil herauskommen und nicht zu Plastikpulver zermahlen werden. Das bedeutet: Man kann den Scanner zwar nebenher regelmäßig füttern, allerdings nicht gleichzeitig im selben Raum arbeiten oder sich dort aufhalten.
Deshalb war es im Grunde von Vorteil, dass bei der ersten Lieferung einiges schiefgelaufen ist und die Ferien nicht für die Scan-Aktion genutzt werden konnten. Denn es empfiehlt sich, den Scanner in einem separaten Raum mit einem separaten Rechner laufen zu lassen. Das geht natürlich dann am besten, wenn tagsüber kein anderes Familienmitglied zu Hause ist und beispielsweise das Wohnzimmer dafür genutzt werden kann. Wenn es nicht anders geht, kann man mit dem Equipment natürlich von Raum zu Raum wandern. Das ist aber auf Dauer aber fast so nervig wie Rattern des Scanners.
Probleme bei CS-Magazinen
Die Scanner arbeitet in der Regel auch ohne Aufsicht zuverlässig seine Dias ab. Im Laufe der Woche passierte es nur einmal, dass ein Magazin nicht zu Ende gescannt wurde. Allerdings funktionierte das Scannen nur mit Universalmagazinen einwandfrei. Bei Dias in CS-Magazinen gab es große Probleme, so dass diese vor dem Scannen umsortiert werden mussten. Allerdings hakten die CS-Magazine im normalen Diaprojektor ebenfalls häufig. Der Scanner-Verleih empfiehlt, die Innenseite des Magazins mit Silikonspray einsprühen. Das haben wir nicht ausprobiert. Der weitere Tipp, die Dias durch mehrfaches rein- und rausschieben zu lockern, hat nicht funktioniert.
Laut Bedienungsanleitung lassen sich darüber hinaus Kompaktmagazine, Braun Paximat S (weiß), Paximat-Magazine und LKM-Magazine verwenden. In Glas gerahmte Dias könnten Probleme aufgrund harter Kanten verursachen.
Abspeichern unter Magazinnamen möglich
Der Vorteil der Scanner-Software: Jedes Magazin lässt sich unter einem bestimmten Basis-Dateinamen abspeichern. Damit kann die Bezeichnung und Sortierung der Diasammlung beibehalten werden. Die Zählung lässt sich individuell einstellen und wird an den Dateinamen angehängt. Auch die Länge der Indexnummer lässt sich festlegen. Damit wird sichergestellt, dass die Dateien später im Dateimanager in der richtigen Reihenfolge angezeigt werden.
Wichtig ist dabei ein kleiner Button in der Menüleiste, um das Magazin neu zu laden. Dadurch wird die Positionsnummer auf 1 zurückgesetzt. Erfolgt dies nicht, will der Scanner das neue Magazin zunächst komplett zurückfahren, um wieder zum ersten Bild zu kommen. Ebenfalls lässt sich in der Software die aktuelle Diaposition im Magazin festlegen.
Dias häufig zu dunkel
Die Software ist ganz brauchbar, allerdings in einigen Punkten verbesserungswürdig. So wäre es sinnvoll, die Scans gleichzeitig als TIFF und JPEG-Datei abspeichern zu können, wie es bei Digitalkameras möglich ist. Dann hätte man bei allen Fotos die Option, sie nachher noch mit einem Bildbearbeitungsprogramm verbessern zu können. Möglich wäre das natürlich nachträglich mit einem Batch-Bildkonverter wie XnConvert. Zudem schließt sich das Programm jedes Mal automatisch, wenn der Scanner ein- und ausgeschaltet wird. Ohne angeschlossenen Scanner lässt es sich auch gar nicht starten.
Insgesamt hat sich gezeigt: Bei den Scans lässt sich wenig an der Bildqualität drehen, wenn die Diavorlage nicht besonders gut ist. Die Originale vor 30 Jahren mit einer billigen Autofocus-Kamera waren häufig etwas unterbelichtet, was durch das Scannen nicht automatisch ausgeglichen werden konnte. Generell können Dias durch das Scannen ohnehin dunkler erscheinen als beim Betrachten durch den Projektor.
Zudem konnten wir zwischen den mit 16 Bit Farbtiefe pro Kanal gescannten Bildern und den 8-Bit-Scans keinen Unterschied feststellen. Eine Erhöhung des Dynamikumfangs der Dias brachte die Einstellung auf jeden Fall nicht. Im Vergleich zwischen TIFFs und JPEGs konnten wir bei der Nachbearbeitung ebenfalls nur geringe Unterschiede bemerken.
Zwar sind Einzelscans mit dem Digitdia ebenfalls kein Problem, um eventuell bei Scannen bestimmte Einstellungen wie Helligkeit oder Farbbalance individueller einzustellen. Doch das verzögert das Scannen erheblich. Schließlich ist es der Sinn des Magazinscanners, ganze Sammlungen zu digitalisieren.
Sinnvoller ist es eher, nachträglich das Ergebnis zu beurteilen und dann zu versuchen, bei einzelnen Bildern mit anderen Scan-Einstellungen noch mehr herauszuholen. Ein Vergleich auf Scanexperte.de zeigt durchaus Unterschiede zwischen der nachträglichen Bildbearbeitung und dem optimierten Einscannen. Zudem dürfte die Mehrfach-Belichtung besser Schattendetails hervorheben, was den Scanvorgang zusätzlich verlängert.
Ein zweiter Scan kann ebenfalls erforderlich werden, wenn die Dias beispielsweise im Rahmen verrutscht sind. So waren in unserem Fall auf etlichen Fotos die Perforationslöcher zu sehen. Das lässt sich natürlich vermeiden, wenn man vor dem Scannen noch einmal sämtliche Magazine mit dem Projektor durchlaufen lässt und die Dias korrigiert. Doch das ist ebenfalls mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden.
Sind professionelle Dienste besser?
Wäre es daher nicht von Anfang an einfacher, seine Sammlung von einem professionellen Dienst einscannen zu lassen? So wirbt das Kölner Unternehmen Diafix damit, schon ab 6,2 Cent pro Dia diesen Service anbieten zu können. Dieser Preis ist jedoch erst bei Sammlungen von mehr als 2.500 Dias möglich. In unserem Fall hätte der Preis bei 8,9 pro Dia gelegen. Hinzu kommen Transportkosten je nach Gewicht.
Zusätzliche Kosten in Höhe von 2 Cent entstehen durch die Übernahme der Magazinbeschriftung. Eine halbautomatische Bildbearbeitung, wohl vergleichbar mit den Möglichkeiten von Cyberview, kostet weitere 4 Cent, so dass der Endpreis bei 14,9 Cent läge. Das ergäbe dann einen Gesamtpreis von rund 240 Euro.
Selbst scannen kann günstiger sein
Preislich wäre das Angebot von Scanexperte.de mit 149 Euro um einiges günstiger. Zudem lassen sich Probleme wie das Verrutschen von Dias im Rahmen, die auch durch den Posttransport entstehen können, zu Hause noch korrigieren. Die Frage von Golem.de, ob Diafix solche Fehler erkennt und bei solchen Aufnahmen nachträglich die Rahmen neu anpasst, blieb bislang unbeantwortet.
Für den Scan in den eigenen vier Wänden spricht zudem, dass keine Gefahr für Verlust oder Beschädigung von Dias beim Transport besteht. Ebenfalls wird die Privatsphäre gewahrt. Wobei Diafix versichert, dass bei "sehr privaten Aufnahmen" auf die sonst übliche Zwischenspeicherung verzichtet werden könne. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich mit der Webseite von Diafix länger zu beschäftigen. Dort findet sich unter anderem eine "große Diascanner-Fibel" und Testberichte zahlreicher Diascanner. Zahlreiche "Tipps & Tricks" finden sich auch bei Scanexperte.de.
Fazit
Insgesamt spricht einiges dafür, seine eigene, überschaubare Diasammlung mit Scannern wie dem Digitdia 7000 zu digitalisieren. Dass eine Digitalisierung teilweise unumgänglich ist, haben starke Beschädigungen von Dias in einigen der Magazine gezeigt. Die auffälligen Punkte ließen sich nicht mit Alkohol oder anderen Reinigern entfernen, wurden von der Software aber recht gut herausgerechnet. Dennoch sind im Detail die Qualitätseinbußen des 30 Jahre alten Materials unübersehbar. Neben dem Verblassen von Farben können Schimmelpilze die Diasammlung gefährden.
Darüber hinaus ist die Software in der Lage, auch solche Fehler zu entfernen, die von Anfang an auf den Dias zu sehen waren. Dazu zählen durchgängige Kratzer, die auf einigen Filmen zu sehen waren.
Wer sich einen solchen Magazinscanner leiht, sollte die Mietdauer nicht zu knapp kalkulieren. Denn am Ende ärgert man sich, wenn aus manchen Dias vielleicht doch zu wenig herausgeholt wurde. So viel Detailarbeit ist aber mit dem Homeoffice eher nicht mehr zu vereinbaren.
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